In ihrer über 100 Jahre alten Geschichte hat die Volksoper Wien viel Hin und Her erlebt. Sie wurde mehrmals umbenannt und fungierte im Laufe der Zeit als Theater, Opernhaus und sogar als Kino. Ihre wahre Liebe galt und gilt jedoch der Operette, einer von der Hochkultur oft stark unterschätzten Sparte des Musiktheaters.
Volksoper in Wien – wo die Operette daheim ist
Die Volksoper Wien ist weit mehr als nur das ehemalige Ausweichquartier der Staatsoper. Nach einer langen und schwierigen Identitätsfindung hat sich das Haus am Alsergrund heute als größtes Operettenhaus der Welt etabliert.
Die schwierigen Anfänge der Volksoper Wien
Gegründet wurde die Volksoper 1898 als Kaiserjubiläums-Stadttheater zum 50-jährigen Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Joseph I — die Eröffnung fand allerdings ohne Anwesenheit des Kaisers statt, der nach dem Mord an seiner Gattin Sisi tief in Trauer war. Man könnte fast glauben, das Theater stand zu Beginn unter keinem guten Stern.
Ursprünglich war das Theater als Haus für Sprechtheater geplant. 1903 übernahm jedoch Rainer Simons die Direktion und setzte mit der Aufführung von Spielopern erste Schritte in Richtung Musiktheater. Das kam beim Publikum gut an und das Haus wurde ab 1908 als Volksoper geführt. Die Volksoper erlebte auch mehrere Wiener Erstaufführungen, darunter Puccinis „Tosca“ (1907) und Richard Strauss’ „Salome“ (1910).
Identitätsfindung im Wandel der Zeit
Nach von der Inflation ausgelösten finanziellen Schwierigkeiten und diversen Rettungsversuchen wurde das Haus 1929 schließlich als Neues Wiener Schauspielhaus neu eröffnet. Auf dem Spielplan standen unter anderem „leichte“ Operetten.
Im Zuge des zweiten Weltkrieges kam es wieder zu mehreren Umbenennungen. Und gegen Ende des Krieges, während des Spielverbots für sämtliche Theater, wurde die Volksoper für einige Monate zu Wiens zweitgrößtem Kino. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie das Ausweichquartier für die zerstörte Wiener Staatsoper bis diese 1955 am Opernring wieder eröffnet wurde.
Ab 1955 war die Volksoper Wien schließlich endlich wieder ein selbständiges Musiktheater, in dem Opern, Operetten und Musicals gespielt wurden. Bis sie sich so richtig als Operettenhaus etablieren konnte, sollte es jedoch noch ein wenig dauern.
Das größte Operettenhaus der Welt
Die Volksoper Wien hatte definitiv mit ihrer Identitätsfindung zu kämpfen. Die häufigen Neubenennungen, Umorientierungen, Zweckentfremdungen und schnellen Direktionswechsel haben dem Haus in der Vergangenheit zu schaffen gemacht. Und natürlich ist der ewige Vergleich mit der „großen Schwester“, der Staatsoper, schwer zu vermeiden.
Umso beeindruckender ist es, dass sich das Haus am Alsergrund heute nicht nur als Wiens zweitgrößtestes Opernhaus, sondern vor allem auch als führendes Operettenhaus der Welt etabliert hat.
Diese starke Positionierung wäre wohl nicht ohne Robert Meyer möglich gewesen. Der Burgschauspieler hat seit 2007 die Direktion der Volksoper inne und hat sich von Beginn an darum bemüht, das Haus zu reformieren. Der neue Direktor legte ein Augenmerk auf die Aufwertung der Operette und schaffte es binnen seines ersten Jahres, Publikumsschichten zurückzugewinnen, die Auslastung zu erhöhen und die Einnahmen zu steigern. Als Publikumsmagnet steht Meyer auch immer wieder mal selbst auf der Bühne.
Kunterbuntes Programm für alle
Pro Spielzeit kommen in der Volksoper im Schnitt 300 Aufführungen von etwa 35 verschiedenen Produktionen auf die Bühne. Während das Hauptaugenmerk natürlich auf dem Genre der Operette liegt, stehen aber auch Opern, Musicals und Ballett auf dem Spielplan der Volksoper. Zudem wurde mit „Volksoper Spezial“ eine fünfte Sparte geschaffen. Darin finden sich Soireen, Kabarettistisches und Parodistisches.
Für Abwechslung und bunte Vielfalt ist in der Volksoper gesorgt: Heutzutage kann es leicht passieren, dass es an einem Tag Mozarts „Die Zauberflöte“ spielt und tags darauf das beliebte Musical „The Sound of Music“. Zu Silvester und am Neujahrstag wird traditionsgemäß und mit viel Publikumsbegeisterung Strauss’ Operettenklassiker „Die Fledermaus“ aufgeführt.
Das Stammpublikum greift zu diversen Abos und Zyklen. Darunter gibt es auch ein Familienzyklus mit speziellen Ermäßigungen für die ganze Familie, sowie ein Jugendwahlabo für alle unter 27.
Generell ist die Volksoper Wien sehr kinderfreundlich: von ermäßigten Karten bis hin zu speziellen Stücke für Kinder, wie etwa „Der Zauberer von Oz“ oder „Hänsel und Gretel“. Kinder können zudem bei Kinderworkshops und Kinderrätselvorstellungen interaktiv mitmachn oder dem Kinderchor und Jugendchor der Volksoper Wien beitreten. Ein vielfältiges Programm für Schulen, mit Probenbesuchen und Backstage-Führungen, rundet das Angebot ab.
Ob für WienerInnen oder Wien-BesucherInnen — die Volksoper Wien beweist einfach immer wieder, dass Wien auch qualitätsvolles Musiktheater abseits der großen Opernaufführungen in der Staatsoper zu bieten hat.